Der Mehrwertsteuersatz in Deutschland. Kartoffeln mit Süßkartoffeln vergleichen

Würde man Passanten auf der Straße ein Mehrwertsteuer-Quiz machen lassen, so lägen wohl viele mit ihren Tipps daneben. Oder könnten Sie auf Anhieb sagen, wie hoch der Steuersatz für Trüffel, Blumen oder eBooks ist? Wir verraten es Ihnen: sieben Prozent. Denn für diese Produkte gilt der ermäßigte Steuersatz, der in Deutschland für Güter des täglichen Bedarfs gilt. Ja, dazu zählt hierzulande auch der Trüffel und der Strauß Rosen. Und die Bundesrepublik wird auch hier wieder ihrem Ruf gerecht und pflastert mit Ausnahmen und Sonderregelungen den Mehrwertsteuer-Weg: Kartoffeln? Sieben Prozent. Süßkartoffeln? 19 Prozent. Sie benötigen ein Hörgerät? Dann zahlen Sie sieben Prozent. Wenn Sie jedoch eine Brille brauchen, sind Sie mit 19 Prozent dabei. 

Kehren wir nun wieder zu unserem hypothetischen Mehrwertsteuer-Quiz zurück: Wahrscheinlich würden die meisten Passanten bei der Frage nach dem Steuersatz für Medikamente sofort an die ermäßigten sieben Prozent denken – Medizin ist schließlich ein Produkt des täglichen Bedarfs. Doch spätestens hier lägen sie dann falsch. In Deutschland wird der normale Steuersatz von 19 Prozent auf Arzneimittel erhoben. Ein Blick auf die Regelungen der anderen EU-Ländern zeigt: Nur drei der 27 Mitgliedstaaten erheben den vollen Mehrwertsteuersatz auf alle Medikamente, neben Deutschland sind das Dänemark und Bulgarien. Wo Malta Medikamente gänzlich von der Mehrwertsteuer befreit, wird in Schweden in Rx-Arzneimittel (befreit) und OTC-Medikamente (25 Prozent) unterschieden.

Es gibt in Deutschland immer wieder Versuche, zumindest den Satz auf verschreibungspflichtige Medikamente auf sieben Prozent zu senken, was eine finanzielle Entlastung der Krankenkassen zur Folge hätte. Und die Einnahmeeinbußen der Bundesrepublik? Auf dem Deutschen Apothekertag 2018 schlug die Landesapothekerkammer Brandenburg vor, den Steuersatz auf Luxusgüter zu erhöhen, um durch diese Mehreinnahmen gegenfinanzieren zu können. Argument für das Anliegen aus Brandenburg war der überwiegend ermäßigte Steuersatz in anderen europäischen Ländern. Letztendlich wurde der Antrag weder beraten noch in einen Ausschuss weiterverwiesen, sei dies doch eher ein Anliegen der Krankenkassen. 

Der Blick ins Apothekenregal bleibt spannend, wenn man sich den Nahrungsergänzungsmitteln zuwendet. Wo das Vitamin-C-Präparat als Arzneimittel eingestuft und somit mit 19 Prozent kalkuliert wird, gilt für die Lachsöl-Kapsel der ermäßigte Steuersatz – sie gilt aufgrund ihres “objektiven Inhalts” als Lebensmittel. Nahrungsergänzungsmittel, die sich irgendwo zwischen Arznei- und Lebensmitteln befinden, werden seitens des Europäischen Gerichtshofs danach bewertet, wie sie zollrechtlich einzuordnen sind, die Richter in Luxemburg betrachten somit die objektiven Merkmale und Eigenschaften sowie den Verwendungszweck. So weit, so kompliziert. Aber dass hier nichts in Stein gemeißelt ist, zeigte zuletzt die Senkung der Mehrwertsteuer auf Damenhygieneprodukte: Nach Petitionen und großem medialen Echo wurden Tampons, Binden & Co. in 2020 den Gütern mit ermäßigtem Steuersatz hinzugefügt. Und vielleicht arbeitet die Lobby der Krankenkassen ja bereits im Hintergrund an einer entsprechenden Regelung für Rx-Arzneimittel.